Haltungsschwäche oder Skoliose? Wann Eltern auf die Wirbelsäule ihrer Kinder achten sollten
Kinder bewegen sich oft flexibel und dynamisch, was in den ersten Lebensjahren völlig normal ist. Ob im Spiel, auf dem Sofa oder am Tisch, Kinder nehmen häufig unregelmäßige Positionen ein, die auf den ersten Blick schief wirken. Doch was passiert, wenn diese schiefe Haltung öfter auftritt und möglicherweise sogar Schmerzen verursacht? Hier gilt es, wachsam zu sein.
Dynamische Haltung ist normal
Sowohl Erwachsene als auch Kinder wechseln ständig ihre Körperhaltung. Unsere Wirbelsäule ist im Alltag selten in einer einzigen Position. Wir sitzen mal gebeugt am Tisch, lehnen uns auf der Couch zurück oder strecken uns aufrecht im Stehen. Diese Bewegungsvielfalt ist wichtig, da sie die Flexibilität der Wirbelsäule erhält. Problematisch wird es nur, wenn Kinder in bestimmten Haltungen verharren oder regelmäßig Asymmetrien in ihrer Wirbelsäule zeigen. Dies könnte auf eine Haltungsschwäche oder eine ernsthaftere Erkrankung wie eine Skoliose hindeuten.
Was ist Skoliose?
Skoliose ist eine strukturelle, dreidimensionale Deformität der Wirbelsäule. Während viele Kinder eine Haltungsschwäche haben, die durch Korrektur der Haltung verbessert werden kann, ist dies bei Skoliose-Patienten und Patientinnen nur in Teilen möglich. Eine Skoliose kann nicht durch bloßes „gerade Hinsetzen“ behoben werden, da die Wirbelsäule in sich verdreht und verkrümmt ist.
Die häufigste Form ist die adoleszente idiopathische Skoliose (AIS). Dabei handelt es sich um eine Skoliose, die ohne erkennbare Ursache (idiopathisch) auftritt und typischerweise im Alter von 10 bis 18 Jahren diagnostiziert wird. Diese Form der Skoliose betrifft in den milden Ausprägungen annähernd so viele Mädchen wie Junge, die höhergradigen Skoliosen beobachtet man vor allem beim weiblichen Geschlecht.
Wachstumsschübe und Skolioseverschlechterung
Die Wachstumsphasen spielen bei der Skoliose eine entscheidende Rolle. Vor allem während des letzten Wachstumsschubs in der Pubertät kann sich eine Skoliose erheblich verschlechtern. Die Wirbelsäule wächst in dieser Zeit besonders schnell, und eine bereits bestehende Verkrümmung kann sich weiter verstärken, wenn keine geeignete Behandlung erfolgt.
Erste Schritte: Ärztliche Untersuchung
Wenn bei einem Kind Schiefstellungen der Wirbelsäule auffallen, ist es ratsam, eine ärztliche Untersuchung durchführen zu lassen. Bei den routinemäßigen U- und J-Untersuchungen wird die Wirbelsäule der Kinder ebenfalls kontrolliert. Wenn dabei Anzeichen für eine Skoliose entdeckt werden, erfolgt die Überweisung zu spezialisierten Kinderorthopäden oder -orthopädin.
Ein typisches Verfahren zur Diagnose ist der Adams-Test: Dabei neigt sich das Kind mit geraden Beinen nach vorne, und der oder die Untersuchende schaut, ob sich Asymmetrien am Rücken zeigen, wie etwa ein Berg oder ein Tal. Eine Vermessung der Skoliose erfolgt mit einem speziellen Gerät, dem Skoliometer. Sollte die Verdrehung ausgeprägt sein, wird ein Röntgenbild geplant. Auf diesem messen die Ärzte und Ärztinnen den Neigungswinkel der Skoliose aus.
Behandlungsmöglichkeiten bei Skoliose
Die Behandlung hängt stark vom Schweregrad der Skoliose und dem zu erwartenden Restwachstum des Kindes ab. Typische Behandlungsmethoden sind:
- Physiotherapie: Insbesondere skoliosespezifische Übungen nach Katharina-Schroth helfen, die Krümmung der Wirbelsäule zu stabilisieren und die Muskulatur zu stärken.
- Korsetttherapie: In Fällen, in denen die Skoliose über einen gewissen Winkel ansteigt, hilft ein individuell angepasstes Korsett, das Wachstum zu lenken.
- Operative Eingriffe: In schweren Fällen kann eine Operation notwendig sein, um die Krümmung dauerhaft zu korrigieren und das Fortschreiten der Skoliose zu stoppen.
Frühzeitige Erkennung und Behandlung sind entscheidend, um eine Verschlechterung zu verhindern und schwerwiegende Eingriffe möglichst zu vermeiden.
Daher: Auf Haltung achten und frühzeitig handeln
Schiefe Haltungen bei Kindern sind nicht immer ein Grund zur Sorge, solange sie nicht anhaltend sind. Eine ärztliche Abklärung ist jedoch wichtig, um zwischen einer Haltungsschwäche und einer ernsthaften Erkrankung wie der Skoliose zu unterscheiden. Eine frühe Diagnose und Behandlung können dazu beitragen, langfristige gesundheitliche Probleme zu vermeiden und die natürliche Flexibilität der Wirbelsäule zu bewahren.
Quelle:
S2k-Leitlinie Adoleszente idiopathische Skoliose 1.0 vom 15.03.2023